Mit dem Beginn des Schuljahres 2002/2003 sind wir mit viel Freude in unser neues Schulgebäude in der Dreierschützengasse übersiedelt. Das BORG Dreierschützengasse, eine Schule wie viele andere in unserer Stadt? – Ja und nein.
Als Oberstufenrealgymnasium sollte es seiner ursprünglichen Konzeption entsprechend begabten HauptschülerInnen den Weg zur Matura öffnen. BORG könnte jedoch heute auch für GeBORGenheit stehen, denn einerseits kommt unsere Schule ihrer ursprünglichen Aufgabe weiterhin nach, andererseits beherbergen wir eine immer größer werdende Zahl von Kindern, deren zweite Heimat Österreich ist. Auch die sozialen Probleme, mit denen die Schüler von heute zu kämpfen haben, sind vielfältiger geworden, vor allem Oberstufenschüler sind den Einflüssen unserer Zeit um vieles stärker ausgesetzt als es vielleicht Unterstufenschüler sind. Es ist klar, dass sich angesichts dieser Entwicklung auch die Aufgaben von uns Lehrern verändert haben.
Mehr als anderswo können wir uns nicht nur ausschließlich auf die Vermittlung von Wissen in unseren Fachgebieten beschränken. Eine unserer Hauptaufgaben ist es, als Katalysator auf dem Weg der Integration so unterschiedlicher junger Menschen zu fungieren, Vorurteile abzubauen, traumatische Erlebnisse zu reparieren oder wenigstens zu mindern. Das bedeutet, sich zu exponieren, Anlaufstelle zu sein für Probleme von Schülern und Eltern. Unsere Aufgabe ist im eigentlichen Sinne des Wortes eine pädagogisch – erzieherische geworden.
Das bringt Konsequenzen für den Unterricht mit sich. Es zeigt sich immer deutlicher, dass sich das nicht selten verminderte Selbstbewusstsein vieler junger Menschen, die sich in der schwierigen Phase der Emanzipation und Metamorphose befinden, durch Teamwork und Projektunterricht am besten aufrichten lässt. Die Selbsterfahrung in der Realisierung eigener Ideen, das Entdecken nicht gekannter Fähigkeiten, das Gefühl, einander bei der Erreichung eines gemeinsamen Zieles ergänzen zu können, macht sicherer und vermittelt Zufriedenheit. Für uns Lehrer bedeutet das ein Wechselspiel zwischen Zurücknahme und Motivation. Es bedeutet Arbeit und Geduld, Lernen und Scheitern, aber auch Freude am Gelingen. Lehrer sein heißt lernen, und das ist vielleicht das Schönste an diesem Beruf.
Es werden unsere Schüler sein, die ungelöste Probleme lösen müssen, und das mit Selbstvertrauen und Optimismus, mit Kenntnissen, Bereitschaft zur Teamarbeit, mit einem hohen Maß an Flexibilität und Menschlichkeit. Wenn wir den jungen Menschen dabei helfen können, haben wir einen wesentlichen Teil unserer Aufgabe erfüllt. Ich denke, dass jeder von uns schon mehrfach in dunklen Stunden an sich und seiner Tätigkeit gezweifelt hat, dass wir sehr oft Mut fassen und Zuversicht zusammenraffen müssen, um vor uns und unserer Aufgabe zu bestehen. Und dennoch, welcher Beruf könnte schöner sein, als jungen Menschen die Hand zu reichen und selbst Kraft zu schöpfen aus ihrer Jugend?